Eine Einladung zum Frauenplenum der Partei
Von Vera Vordenbäumen
Am 26. März standen sie wieder auf Straßen und Plätzen: die Frauen und Männer mit den roten Taschen. Zum dritten Mal wurde in Deutschland mit dem »Equal Pay Day« darauf hingewiesen, wie ungleich immer noch die Einkommen von Männern und Frauen in Deutschland sind. Bis zu diesem 26. März mussten Frauen in der Bundesrepublik arbeiten, um auf den gleichen Durchschnittsverdienst zu kommen, den die Männer im Jahr 2009 erhielten. Der Gender Pay Gap, also der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern, blieb damit wie bereits in den Vorjahren konstant bei 23 Prozent. Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland damit an siebtletzter Stelle. Getragen wird der Protest vom Deutschen Frauenrat, Gewerkschaften, Parteien – die LINKE war aktiv dabei, aber auch Abgesandte vom Bundesministerium für Familie und Senioren, Frauen und Jugend und von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).
Bei aller Freude darüber, dass die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen zunehmend in das gesellschaftliche Bewusstsein rückt, stellt sich mir doch die Frage nach der Verantwortung von Bundesministerium und Arbeitgeberverbänden. Während DIE LINKE seit Jahren ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft fordert, lehnt die schwarz-gelbe Bundesregierung dies nach wie vor kategorisch ab; sie setzt weiterhin auf die, wie die Zahlen beweisen, fruchtlose Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft. Wer wenn nicht Unternehmen und Arbeitgeber könnte mit einer geänderten Lohnpolitik den Missstand der Entgeltungleichheit beseitigen? Die Unterstützung der Proteste gegen diese Diskriminierung durch Bundesministerium und BDA ähnelt mir denn auch eher dem Werfen von Nebelkerzen zur Verschleierung eigener Handlungsmöglichkeiten denn einem ernsthaften Interesse an einer Änderung der Situation.
Am 22. April 2010 werden Schülerinnen zum zehnten Mal von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Handwerksbetrieben zum »Mädchen-Zukunftstag« oder »Girls Day« eingeladen. Unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel wird dazu auf der offiziellen Website des Girls Day erklärt: »Die junge Frauengeneration in Deutschland verfügt über eine besonders gute Schulbildung. Dennoch entscheiden sich Mädchen im Rahmen ihrer Ausbildungs- und Studienwahl noch immer überproportional häufig für ›typisch weibliche‹ Berufsfelder oder Studienfächer. Damit schöpfen sie ihre Berufsmöglichkeiten nicht voll aus; den Betrieben aber fehlt gerade in technischen und techniknahen Bereichen zunehmend qualifizierter Nachwuchs.«
Um nicht missverstanden zu werden, ich finde es hervorragend, wenn Rollenklischees angegriffen und überwunden werden sollen. Allerdings finde ich es bezeichnend, mit welcher Deutlichkeit diese Emanzipation auf das Interesse der Wirtschaft zurückgeführt wird, die Ressource der »Bildungsgewinnerinnen« nicht ungenutzt zu lassen.
DIE LINKE beteiligt seit Jahren am »Girls Day«. Auf regionaler, Landes- und Bundebene laden wir Schülerinnen ein, die politische Arbeit in Parlamenten und Partei kennenzulernen. Dies ist ausgesprochen sinnvoll und notwendig, da auch die Politik landläufig immer noch als Männerdomäne gilt. Besonders schwer tun sich Mädchen und Frauen mit der politischen Betätigung in einer Partei. Welche Ursachen das zögerliche Engagement von Frauen in Parteien hat, ist wenig untersucht. Wissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass es nach wie vor keine umfassende Untersuchung in der Parteien- und Partizipationsforschung zur Beteiligung von Frauen in den deutschen Parteien gibt.
DIE LINKE ist bei allen im Bundestag vertretenen Parteien immer noch die Partei mit dem höchsten Frauenanteil. Dies ist allerdings kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen. Wir wissen, dass weniger Frauen als Männer Mitglied der Partei sind, dass weniger Frauen als Männer neu in DIE LINKE eintreten, und wir wissen auch, dass wir bei allen Wahlen weniger Wählerinnen als Wähler haben. Dieser Zustand erstaunt uns oft selbst am meisten, da wir ja eine feministische Partei sein wollen, wir in unserer Satzung eine 50prozentige Mindestquotierung festgeschrieben haben und auf allen Ebenen kompetente Genossinnen engagiert politisch arbeiten. Aus den Berichten und der Kritik vieler Genossinnen ergibt sich das Bild, dass der politische Alltag häufig einen beachtlichen Gegensatz zu unseren selbst formulierten Zielen darstellt.
Auf dem Frauenplenum des kommenden Parteitages in Rostock – am 14. Mai, in der Stadthalle Rostock, Saal 2, 17 bis 20 Uhr – wollen wir daher den Entwurf eines »Konzepts zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in der LINKEN« diskutieren. Das Konzept nimmt eine Bestandsaufnahme vor, wie hoch der Frauenanteil in den einzelnen Gliederungen ist, wie es um die Einhaltung der Mindestquotierung von der Kreis- bis zur Bundesebene bestellt ist, ob bei der LINKEN als Arbeitgeber eine Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen besteht. Formuliert werden Ziele auf dem Weg einer geschlechtergerechten Beteiligung an der Politik der LINKEN und konkrete Maßnahmen, dies zu erreichen. Wesentlich sind auch eine diskriminierungsfreie Arbeits- und Kommunikationskultur sowie eine Veränderung der männlich dominierten Versammlungsrituale. Wir stellen uns die Frage, was müssen wir ändern, damit mehr Frauen davon überzeugt werden, eine Beteiligung bei der LINKEN nutzt ihren Interessen.
Seit Bestehen der Partei DIE LINKE diskutieren wir über eine neue Frauenstruktur der LINKEN. Auf dem Frauenplenum wird über den Stand dieser Debatte berichtet. Die Gemeinsamkeiten, die bislang erreicht werden konnten, die offenen Fragen, die noch geklärt werden müssen, sollen dargestellt werden. Es soll ein politischer Raum der Vernetzung von Frauen in und bei der LINKEN geschaffen werden. Ein Ort, welcher der Entwicklung feministischer Politikansätze ebenso dient wie der Durchsetzung von Gleichstellungspolitiken oder der Sensibilisierung für Genderspezifika.
Auf dem Parteitag in Rostock besteht zum ersten Mal die Möglichkeit, eine geschlechterquotierte Führung der Partei dauerhaft in der Satzung zu verankern. Auch die Geschäftsführung der Partei soll während der nächsten Amtsperiode gemeinsam von einer Frau und einem Mann übernommen werden. Gesine Lötzsch und Caren Lay werden sich als Kandidatinnen für diese Ämter der Diskussion auf dem Frauenplenum stellen.
Ich bin optimistisch, dass wir mit dem Parteitag im Mai weitere Frauen für ein politisches Engagement in der LINKEN interessieren können, und möchte alle Frauen einladen sich, am Frauenplenum zu beteiligen.
Vera Vordenbäumen ist Bundesfrauenreferentin.
vera.vordenbaeumen@die-linke.de
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