Julien  Frisch hat sich netterweise die Mühe gemacht und das erste Interview  mit Viviane Reding übersetzt:
“Wenn wir Barrosos Mädchen sind, dann ist er genauso unser  Junge”
Den Sprung in den Frühling…verpasst. Berlin, 4. Mai 2010: Die Mützen  haben noch Ausgang und Röcke fallen noch immer über Leggins; am Alex  sind es bloß 10 Grad im Schatten. Um die Atmosphäre aufzuwärmen habe ich  euch eine Reihe exklusiver Interviews mit den lustigen Damen von der  zweiten Barroso-Kommission zusammengemixt. Acht Frauen wurden für die 27  Posten ernannt, ein eher „symbolisches” Drittel des Entscheidungsorgans  der EU. Denn wenn tatsächlich die Gleichheit von Mann und Frau  hochtrabend als „gemeinsamer Wert der EU” ausgerufen wird, dann sind die  Statistiken doch wenig schmeichelhaft: Geringere Beschäftigungsquote,  unterrepräsentiert in Politik und Wirtschaft, Ungleichheit bei der  Aufteilung der Heimarbeit, höhere Armut… Das Leben des schwachen  Geschlechts auf dem Kontinent ist manchmal wenig rosig. Aber was denken  die Damen Kommissarinnen? Ihre Sicht auf den Alltag des sehr männlichen  europäischen Universums, ihre Kämpfe und ihre Überzeugungen in fünf  Fragen. 
Erster Teil mit Vivivane Reding, 59 Jahre, luxemburgische  Politikerin, Mitglied der Christlich-Sozialen Partei und Kommissarin für  Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Viviane Reding ist auch  Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.
Glauben Sie, dass man die EU-Institutionen als „macho”  bezeichnen könnte?
Wenn das bedeutet, dass die EU-Institutionen von Männern dominiert sind,  dann kann ich nicht zustimmen. Im Allgemeinen haben wir eine gute Quote  in der Kommission: 51% Frauen und 49% Männer. Über die Jahre sind wir  davon weggegangen, einfach nur eine Politik zu verfolgen, die darauf aus  war, die Zahl der Frauen in Verwaltungs- und Leitungsfunktionen zu  erhöhen und versuchen nun ein breiteres Konzept voranzubringen, dass  einen besseren Ausgleich von Arbeit und Privatleben für alle  Mitarbeiter/innen ermöglicht. Wir haben Heimarbeit und flexible  Arbeitszeiten eingeführt und unterstützen auch Teilzeit. Das Problem  ist, dass es immer noch zu wenig Frauen in den oberen Führungspositionen  gibt – nur 17%. Das ist nicht genug. Ich möchte Frauen unterstützen,  sich einfach um höhere Positionen zu bewerben. Meist fehlt es nicht an  Gelegenheiten sondern es scheitert daran, dass Frauen glauben, sie seien  nicht qualifiziert genug für eine bestimmte Position. Wir brauchen  einen Mentalitätswechsel: Frauen, die von sich überzeugt sind und  Männer, die das Potenzial und die Kreativität schätzen, die Frauen in  einbringen können. Wenn „macho” bedeutet, dass Barroso ein Mann ist und  die Kommissarinnen ihm irgendwie direkt untergeordnet sind, dann muss  ich erneut verneinen. Er ist der Präsident und bestimmt die allgemeinen  Leitlinien. Trotzdem haben die einzelnen Kommissare große Freiheit ihre  Politik zu bestimmen. Am Ende entscheidet die Kommission immer als  Kollektivorgan. Ein Journalist hat die Kommissarinnen mal als „Barrosos  Mädchen” bezeichnet. Ich habe geantwortet, dass wenn wir seine Mädchen  sind, er auch unser Junge ist. Ich glaube nicht, dass die Europäische  Kommission als „macho” bezeichnet werden kann oder sollte.
Hatten Sie Probleme in Ihrer Karriere, sich durchzusetzen?
Nein, niemals. Das hängt wahrscheinlich zum Teil damit zusammen, dass  ich immer stolz darauf war, die zu sein die ich bin und dass ich stolz  bin, eine Frau zu sein. Ich habe immer davon profitiert, eine Frau zu  sein. Ich war die erste weibliche Journalistin, die in Luxemburg über  Politik geschrieben hat. Ich wurde Politikerin und habe gleichzeitig  meine drei Söhne aufgezogen. Als ich EU-Kommissarin für  Telekommunikation wurde, war ich ziemlich von Männern umzingelt.  Zunächst haben sie meine Ankündigung, Roaming-Gebühren zu regulieren  nicht sehr ernst genommen. Die haben wahrscheinlich gedacht: „Lass die  Frau reden.” Aber dann habe ich gehandelt, und das hat sie ziemlich  überrascht. Mein Rat ist daher: Tut es einfach! Ihr werden überrascht  sein, wie viel man erreichen kann und ihr werdet euch über die (meist  männlichen) überraschten Gesichter um euch herum wundern.
Spielt die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, eine Rolle bei  ihrer täglichen Arbeit als Kommissarin? Wenn ja, wie?
Immer wenn ich mit Frauen spreche, die nicht ganz so selbstbewusst  erscheinen, versuche ich diese Botschaft zu übermitteln. Ich wurde  niemals unterdrückt und hatte niemals Problem, weil ich eine Frau bin.  Aber natürlich ist mir bewusst, dass Fraunen in der Gesellschaft wegen  ihres Geschlechts manchmal auf Probleme stoßen. In diesen Fällen kann  ich sie nur ermuntern, dieses laut auszusprechen. Wenn man nicht weiß,  dass du ein Problem hast, kann man dir auch nicht helfen.
Wenn Sie etwas an der EU ändern könnten, was wäre das?
Die EU erscheint oft als riesiges bürokratisches Projekt, das nichts mit  dem normalen Bürger zu tun hat. Ich möchte die EU näher an die Bürger  bringen. Ich habe vor kurzem einen Plan für die nächsten fünf Jahre  vorgestellt, der das Leben der Bürger einfacher machen soll, wenn sie  sich entscheiden, im Ausland zu leben, zu arbeiten und zu studieren oder  ins Ausland zu reisen. Diese ehrgeizigen Vorschläge werden  bürokratische Hürden entfernen, die das Leben der Bürger einschränken  und der Wirtschaft zusätzliche Kosten und rechtliche Unsicherheit  auferlegen.
Könnten Sie Europa in drei Worten definieren?
Freiheit, Chancen, Solidarität.
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